FLÄCHENVERWERFUNGEN

13.03. bis 24.04.2011

Luisa Schatzmann
Öl auf Leinwand und Acryl oder Mischtechnik auf Papier
Dan Hepperle
Öl und Acryl auf Leinwand, Holz und Papier
Rainer Kriester
Broncen und Skulpturen aus Eisen, Stein und Marmor

VERNISSAGE Sonntag, 13. März 2011, 16.00 Uhr

Die MIDISSAGE feiern wir am Sonntag, 3. April, ab 14.00 Uhr

Öffnungszeiten
Mi, Sa+So 14.00 – 18.00 Uhr
(bei Anmeldung: Sonntags mit Kaffee und Kuchen)

 

Die HLP Galerie zeigt ab dem 13. März eine Werkauswahl von drei Künstlern, die mit individuell differenzierten Arbeitsansätzen und komplexen Vorgehensweisen -  jeder auf seiner Weise -  die Fläche in einem künstlerischen Prozess der Verwerfung lebendig werden lässt.

 

Die Ausstellung startet in der untersten Etage mit einem beeindruckenden Repertoire an künstlerischen Mitteln, die die Arbeiten von Luisa Schatzmann aufweisen. Die Künst­lerin, 1933 in Madrid geboren, lebt in Köln und Österreich und hat in einem unermüdlichen Schaffensprozess nahezu alle geläufigen Techniken (Radierung, Linoldruck, Zeichnung, Papierarbeiten, Gemälde) verwendet. Nach Ihrem Studium in Köln bei Prof. Karl Marx, Prof. W. Schriefers und Daniel Spoerri entwickelt sie eine Vorliebe für das Informel. Die HLP Galerie zeigt Malerei und Arbeiten auf Papier aus den Jahren 1988 bis 1996, einem Zeit­raum, in dem sich dieser Einfluss besonders deutlich zeigt. Wenige Werke, wie z. B. die „Metamorphosen“, aber auch Arbeiten mit „magischen Zeichen“ aus alten Kulturen (vor allem ägyptischer Prägung) oder die Serie „Alhambra“, oszillieren zwischen Abstraktion und Figuralem. Die meisten gezeigten Arbeiten sind jedoch abstrakter Natur, tragen keine Titel und bewegen sich assoziationsträchtig um die Themen Kosmos und Landschaft.

 

Luisa Schatzmann kombiniert in jeder ihrer Arbeiten unter­schiedliche Techniken in einem komplexen Arbeits­prozess. Die Malmittel werden als Pulver aufgestreut, verflüssigt und dann dünn oder pastos mit dem Pinsel verteilt, gewalzt oder gar getropft. Im Verbindungsprozess (wobei die Leinwand oder das Papier schon einmal auf den Kopf gestellt wird) und während der unterschiedlichen Trocknungsphasen verklum­pen die Pigmente mit beigemischten festen Materialien, werden Farben von anderen aufgesaugt, fließen flüssige Pig­mentmischungen entlang früherer Schichten oder schimmern auf der Oberfläche. „So bleibt das Werk lebendig“, sagt Schatzmann zu ihrem Arbeitsprozess. Sie arbeitet aus einer inneren Notwendigkeit heraus. Das Ergeb­nis, ”dass man auf diese Weise gar nicht malen oder erden­ken kann”, so Schatzmann, ist zwar gelenkt, aber doch vom Zufall geprägt. Am Ende eines langen Veränderungspro­zesses, der auch noch nach der aktiven Bearbeitung anhält, verschmilzt alles zu einer Einheit, wird zeitlos.

 

Ein ganz besonderer Reiz der Ausstellung: Eine große Anzahl der Arbeiten wurde noch nie gezeigt. Der Besucher kann sich auf Werke freuen, die Luisa Schatzmanns Vorliebe für Gold, Blau und Weiß demonstrieren, auf eine gold-rot-gelb schim­mernde „Sonne“, auf komplex vernetzte waagerechte und senkrechte Strukturverläufe, auf die Landschaftsimpres­sionen und Blicke wie durch hauchfeinen Dunst hindurch auf reflektierende Wasseroberflächen.

Die HLP Galerie skizziert die Konsistenz und Vielfalt des Oeuvres des 2002 verstorbenen Bildhauers Rainer Kriester mit einer nur vergleichsweise kleinen Auswahl seiner Arbeiten - der Nachlass umfasst nicht weniger als 1.763 Stelen und Kopfplastiken aus unterschiedlichstem Gestein, Eisen und Bronze. Rainer Kriester (geb. 1935), zunächst Medizinstudent in der ehemaligen DDR, flüchtet 1958 nach einer einjährigen Haft wegen vorgeblicher Staatsverleum­dung nach Berlin West, wo er wenig später Malerei zu studieren beginnt. Nach Stipendienaufenthalten in Spanien und Italien findet er 1970 seinen Weg: Die Bildhauerei. Bekannt geworden ist der Künstler mit seinen totemähn­lichen, so genannten Kopfzeichen; augenlos und unterschied­lich stark stilisiert, von Stricken verschnürt, mit Gürteln geknebelt, von Nägeln durchbohrt oder von überstülpten Helmen gemartert werden sie zum Teil zu Fetischen trans­formiert. Kriesters „Großes weißes Kopfzeichen" ziert heute den Innenbereich des Bundeskanzleramts in Berlin.

Das Jahr 1973 wird zu einem weiteren Wendepunkt: Rainer Kriester entdeckt seine Vorliebe für Stein (u. a. Granit, Marmor, später den spanischen Schiefer) und 9 Jahre später den geschichts­trächtigen Hügel in Castellaro/Vendone in Italien, ein Kult- und idealer Arbeitsplatz; mit über 35 monumentalen Plastiken aus dem lokalen Kalkstein von Finale Ligure entsteht vor Ort ein spannender Dialog zwischen Kunst und Landschaft. In Schwindel erregender Höhe schafft es der Künstler in einem existentiellen Arbeitsvorgang, aus tonnenschweren Steinkolossen Skulpturen hervorzubringen. Er selber sprach davon, die Form, den Ausdruck zu suchen und Schlag um Schlag den Stein zu bezwingen, dass die Fetzen fliegen: „Mal gewinnt der Stein, mal gewinne ich, am Ende sind wir beide erschöpft und liegen im Gras. Ich sehe aus wie der Stein - und der Stein sieht aus wie ich." (Rainer Kriester). Heute befindet sich dort der "PARCO DELLE SCULTURE" der FONDAZIONE KRIESTER , die von Christiane Kriester zusammen mit Jean-Marc Beyer geleitet wird.

In den 80er und 90er Jahren tauchen im plastischen Werk feine Linien – sog. Lebenslinien - sowie Strahlen, geomet­rische Figuren, Augenformen, Sonnenzeichen, Zahlenreihen und literarische Exzerpte (Pavese, Villon, Neruda, Montale) auf. Kriesters kontemplative Werke nehmen Mythen auf, bezeichnen Zeitläufe. Skriptorale Linien und hinein geschlif­fene Prägungen verdichten sich auf ihnen zu Zeichen zwi­schen dem Irdischen und dem Himmlischen. Es entstehen Stelen, Tore, Obelisken und Idole, mit denen der Künstler u. a. eine „imaginäre Reise in das innerste Afrika“ antritt, ein Traum, dessen Realisierung ihm aus Gesundheitsgründen nicht gegönnt war.

In der Ausstellung in Wesseling werden naturgemäß eher kleinere Arbeiten zu betrachten sein ... im Dialog mit Bei­spielen alter afrikanischer Kunst aus Holz. Bei Kriester ist vor allem Gestein – ein faszinierendes, in Jahrmillionen gewachsenes Ur-Material – der Protagonist, an dessen Oberfläche sich der Künstler abgearbeitet hat!

Ein Prozess des Hinzunehmens und Wegnehmens ist auch Grundlage für die Ölbilder, Zeichnungen, Collagen und Arbeiten in Mischtechnik von Dan Hepperle, Jahrgang 1956. Sie entstehen auf allen klassischen Malgründen (Leinwand, Nessel, Holz, verschiedene Papiere) in einer großen Spanne unterschiedlicher Formate. Seine Techniken sind so vielfältig wie die Materialien, die er verwendet und auf deren spezi­fischen Qualitäten und eigene Aussagekraft er feinfühlig eingeht. Der gebürtige Kölner nennt seine Arbeiten „stille Schätze“ und beschreibt damit treffend die verdichteten, leisen Übergänge in seinen Bildern, die zum Verweilen, zum Eintauchen einladen und zu einer längeren Betrachtung auffordern.

Dan Hepperle – eine spannende Neuentdeckung für die HLP Galerie – entschleunigt die Entstehung eines Bildes. Hepperle liebt es, lange in einem Bild zu sein: zuweilen kann er sich mit einer Arbeit schon einmal über Jahre hinweg immer wieder neu beschäftigen. Es mag kein Zufall sein, dass er schließlich aus der Stadt aufs Land, in ein kleines Eifel-Dorf gezogen ist, wo er die Stille lebt, die „immer da ist und die wir in der lärmenden Geschäftigkeit unserer Tage die meiste Zeit über völlig vergessen haben“1. In den letzten Jahren arbeitet er besonders gerne auf Holz, ein Material, dass ihm die Möglichkeit bietet, in es hineinzuarbeiten (Sägeschnitte z. B.) oder Farbe wieder abzuschleifen. Seine Bilder kreisen um die Farbe Weiß, denn pures Weiß ist das Streben nach Licht, ist die letzte Möglichkeit der Erscheinung. Alles dreht sich um Licht und Raum, um Farbraum und Linie, die uns in sie hineinziehen, wobei wir alles andere vergessen. Die fei­nen, zahlreichen Farb- bzw. Materialschichten bauen sich zu Sedimentationen auf, wobei die darunter liegenden durch­schimmern.

Es sind stille Übergänge, welche die HLP Galerie auf der oberen Etage zeigt – Dan Hepperles Holzkästen und Ölbilder bezeugen sein Gespür für haptische Reize und geben zarte Einblicke in nebelig wirkende, haudünne Weißschichtungen. Die Material- und Farbflächen sind durchwachsen von Ein­ritzungen in Gitter- oder Rasterstrukturen, von Spuren,  die Hepperle mit Spachtel, Pinsel und Drahtbürste erzeugt und hinterlässt.

Was die Werke dieser drei Künstler im Dia- bzw. Trialog zueinander kommunizieren? Das muss der Betrachter vor den Originalen selber herausfinden. Der Titel der Ausstellung deutet darauf hin, dass der lange Prozess des Hinzufügens (oder Wegnehmens) – charakteristisch bei allen drei Künstlern - durch Bürsten, Sezieren, Prägen, Schichten oder Durchbohren stets an der Materialoberfläche seinen Ausgang nimmt. Verläufe auf und in der Fläche als Flächen­verwerfungen2!

1 Dan Hepperle. Neue Arbeiten, 2009, S. 5.
2 Flächenverwerfung bezeichnet in der Geologie die Verschiebung von Gesteinspaketen an einer tektonischen Trennfläche.

 

nach oben nach oben