Salzsack, Baumstamm & Ultramarin

25.09. bis 6.11.2011

Aloys Rump
(Objekt- und Strukturbilder in Mischtechnik
auf Leinen, Holz und Papier)
Christine Haller
(Holzskulpturen)
Karin Kahlhofer
(Pigmente, Binder und Mischtechnik
auf Leinwand und Papier)

VERNISSAGE am Sonntag, 25. September 2011, 16.00 Uhr

Die MIDISSAGE feiern wir am Sonntag, 23. Oktober,
ab 14.00 Uhr

Öffnungszeiten
Mi, Sa+So 14.00 – 18.00 Uhr
(bei Anmeldung: Sonntags mit Kaffee und Kuchen)

 

 

Auf den ersten Blick scheinen die Werke der drei Künstler­Innen, welche die HLP Galerie in ihrer diesjährigen Herbst­ausstellung zeigt, nichts gemein zu haben. Die Bildsprache der Kölner Künstlerin Karin Kahlhofer, ganz gleich ob bei ihren Ölbildern oder bei ihren Papierarbeiten, hat eine archaische und kultische Komponente, zeigt sich gestisch und zeugt von Kalkül und Spontaneität.
Die archaische Komponente zeigt Auswahl und Darstellung ihrer Themen: „Wächter, ”Schläfer”, ”Gefiederter” bei­spielsweise heißen etliche ihrer Arbeiten oder einfach ”o.T.”, manchmal mit einer in Klammern gesetzten Beifü­gung wie etwa: ”Rot-Schwarz, aufsteigender Drache”. Dabei verweisen die Titel nicht zwingend auf ausgearbeitete Figu­ren; vielmehr schwebt Kahlhofers Bildsprache zwischen einer wie Schemen oder Chiffren anmutenden, skizzierten Figür­lichkeit und einer gestischer Abstraktion, die manchmal auf schlichte Zeichenhaftigkeit - japanischer Kalligraphie nicht unähnlich - reduziert ist.
Ihr Oeuvre, von denen die Galerie ein gutes Dutzend Ölbilder und etwa zwei Dutzend Papierarbeiten ausstellt, durchzieht eine Vielzahl von in die Länge gezogenen Figuren. Sie schwe­ben senkrecht im Bild oder in der Diagonale, hocken oder liegen in einem Umfeld voller im schnellen Duktus gesetzten Schraffuren auf Abstufungen und Überlagerungen von jeweils wenigen Farben. Dabei schleudert diese Künstlerin (Jahrgang 1946) dem Betrachter Formen und Farben in einer verblüff­enden Direktheit entgegen. Das ULTRAMARIN des Titels ist ihr zuzuordnen.
Die Malweise und Technik ist zum einen den Vorbildern der Sechziger an der Düsseldorfer Kunstakademie verpflichtet: dem informellen Maler Karl Otto Götz, auf dessen Technik mit dem Rakel einige großformatige Ölbilder  Kahlhofers zurückgehen, und natürlich Joseph Beuys, dessen Meister­schülerin Kahlhofer damals war. Die archaische, spirituelle Komponente hingegen verdankt sich Kahlhofers früher Beschäftigung mit  dem Zen. Seit den 90ger Jahren ist ihr Thema der in Zeit und Raum befangene, endliche Mensch, der nur als ein winziges Teilchen am Prinzip des Unendlichen und Zeitlosen Teil hat. Aber auch in ihren besonders vitalen abstrakten Bildern, die nicht selten wahre Farb- und Form­explosionen sind, ist der Mensch zwar nicht sichtbar, aber gleichwohl anwesend.

Die Arbeiten des wenig jüngeren Künstlers Aloys Rump (geb. 1949) aus Boppard, der in der Tradition des deutschen Infor­mel steht, zeigen keinen spontanen Duktus, geben zumin­dest den Eindruck einer Monochromie und sind prozessbe­tont. Mit der Ausstellung von rund 30 seiner Arbeiten setzt die HLP Galerie ihre inoffizielle Reihe prozessbetonter Kunst fort. Bei Rumps Zyklus ”Aus großer Höhe“ etwa han­delt es sich um blass anmutende, gräulich, gelblich oder grünliche Gemälde aus fixiertem Gesteinsmehl, einer zähen Masse, der Rump mit Pinsel und Spachtel Kerben und Wülste bei­bringt: es entstehen Reliefstrukturen, die  an Aufnahmen der Oberfläche unwirtlicher Planeten erinnern ... oder eben an die fortschreitende katasterartige digitale Vermessung unserer Lebenswirklichkeit von oben, wie es der Benjamin-Rezensent Rolf Tiedemann darlegt.*1 Ganz zuletzt werden diese zwischen Gemälde und Plastik anzusiedelnden Werke mit Marmorstaub belegt, dem wiederum ein Farbpigment beigemischt wurde, das den genannten Blässeeffekt hervor­bringt. Es sind stille Arbeiten, wie so manche der archaisch anmutenden Bilder Kahlhofers, und  doch lastet auf der Stille allein schon durch die Farbstimmung häufig der Schrecken der Erinnerung, auch dort, wo nicht der winzige Schatten eines Kampffliegers oder Fadenkreuzes sichtbar ist. Die Se­quenzen von „Aus großer Höhe” sind ”gespeist vom kollek­tiven Wissen um potentielle Gefahren und um die sequen­zielle Visualisierung der Welt”, so Tiedemann.*2
Ein in ähnlicher Technik manifestierte Rump’sche Reflexion politischer Wirklichkeit war seine jüngste Installation*3 von ”Der Staub der Türme”. Das Ensemble von neun langen, mit einer oliv-grauen, gipsartigen Masse aus Schiefermehl und Leim bestrichenen und mit der oben geschilderten Verlet­zungsstruktur und  abschließenden ‚Be-Stäubung’ versehenen Gerüstbrettern ist ein Mahnmal des Schreckens von ‚Nine-eleven’. ”Entfärbte Schatten” heißt eine Reihe plastischer Arbeiten auf Büttenpapier. Die mit schwarzem Oxyd und Marmorstaub erstellten, kreisrunden Arbeiten erinnern an Aufnahmen des Mondes oder verkarsteter Oberflächen an­derer Planeten.
Beim Werkzyklus ”Die Stille danach“, von dem in der Aus­stellung ebenfalls einige unlängst entstandene Beispiele zu sehen sind, verdanken sich die ungewöhnlichen Bildstruktu­ren einer anderen Modelliermasse, die zusammen mit Acryl auf Holz aufgebracht ist. Doch diesmal sind es plastische Spuren, Abdrücke, Krater oder Gebilde wie Ekzeme, die sich einzeln oder im Verband aus dem planen Untergrund abhe­ben. Nach den jüngsten, als hausgemacht zu apostrophie­renden Katastrophen auf unserer Erde bedarf es keine sond­erlichen Hinweise auf die Bezüge dieser abermals unheim­lichen Stille. Da kann sich der Betrachter an den ausgestell­ten gegenständlichen Bildobjekten „SALZ “ von 1999, die zum Ausstellungstitel beitrugen, geradezu delek­tieren. Wo­möglich verweisen die auf Leinwand montierten und bemal­ten Salzsäcke aber doch auf einen der ältesten Rohstoff­schätze der Welt und appellieren damit, solche Schätze zu schützen und angemessen zu behandeln.

Die in Wiehl beheimatete Künstlerin Christine Haller (Jahr­gang 1969) ist die Jüngste im Bunde und damit womöglich einer Generation zugehörig, die sich die Frage, ob und wie Kunst nach Auschwitz noch möglich ist, vielleicht nicht mehr unablässig stellt. Obwohl sie im Umgang mit ihrem Arbeits­material, nämlich Baumstämmen, enorm viel Kraft aufwen­den muss, vermag sie es, ihren Holzskulpturen eine unge­wöhnliche Leichtigkeit zu verleihen. Nach Entfernung der Rinde von z. T. mannshohen Baumstämmen erarbeitet Haller mit Motorsäge, Rundaxt und Stechbeitel vor allem For­men in der Schwebe, die in aller Regel eine Außen-  und Innensicht zeigen. Wie bei  Kahlhofer und Rump ist ihren Wer­ken neben der Form auch der Gestus ablesbar. Mit Stecheisen und Klüp­fel sind die Außenseiten der ausgehöhlten Plastiken be­arbeitet; parallele Einschnitte schaffen rhythmische Struk­turen wie etwa bei der 2 Meter hohen Skulptur ”Passagen” aus Kirschholz.
”Haut innen” nennt sie die gefurchte ovale Rundskulptur mit Schlitz, in welchen feines beschriftetes Papier gestopft ist – die Ahornskulptur liegt auf ihrem Schwerpunkt. Wie Haut begrenzt sie den Innenraum und öffnet sich dem Draußen. Ein diesmal extrem in die Länge gezogenes, stehendes Oval aus Buchenholz, dessen Haut gleichermaßen vom Kopf bis zum Scheitel ’gezeichnet’ ist, hat auf der Vorderseite einen breiten Schlitz, in dem ebenfalls von oben bis unten dünne Transparentpapiere geschichtet sind – ”Intime Briefe” ist hier der Titel; auch er verleiht der Skulptur eine zusätzliche Dimension. Haller, deren Studien nicht weniger als Kunst, Literaturwissenschaft und Philosophie umfassten, visuali­siert mithilfe des Naturmaterials Holz geradezu empfind­same Aspekte der conditio humana.


*1 Rolf Tiedemann, ”Untrügliche Spuren“ (Was ist, will, kann Kunst nach Auschwitz? R. Tiedemann über den Maler Aloys Rump), in: KONKRET, Heft 11, 2007
*2 a. a. O.
*3 Karfreitags-Installation im Heilig-Kreuz-Münster in Rottweil

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