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26.06. bis 07.08.2011

Claude Garanjoud
(Öl, Acryl, Tusche u. a. auf Leinwand, Tuch und Papier)
Maria Maier
(Photographie und Malerei)

VERNISSAGE am Sonntag, 26. Juni 2011, 16.00 Uhr

Die MIDISSAGE feiern wir am Sonntag, 17. Juli, 14.00 Uhr - 18:00 Uhr

Öffnungszeiten
Mi, Sa+So 14.00 – 18.00 Uhr
(bei Anmeldung: Sonntags mit Kaffee und Kuchen)

 

In Zusammenarbeit mit

Institut Robert schumann an der Universität Bonn     Institut Francais

 

Im Laufe seiner künstlerischen Entwicklung hat sich der hierzulande kaum bekannt gewordene französische Künstler Claude Garanjoud (1926 – 2005) immer mehr befreit von einer der äußeren Wirklichkeit verpflichteten Darstellung und
Wiedergabe zugunsten einer auf Lichtbahnen, Raumauslo­tung und Farbnuancen fußenden Abstraktion. Mit Ausnahme seiner akademischen Frühphase zeigt die HLP Galerie mit über 30 Arbeiten einen Querschnitt seines etwa 50 Jahre umfassenden künstlerischen Schaffens.

Während Garanjouds Ausbildung zum Zeichenlehrer an ver­schiedenen Gymnasien entstanden vor allem akademische Bleistift- und Tusche-Zeichnungen mit Hafenansichten, Skizzen der provencalischen Gebirgslandschaft oder der Saharawüste (während des II. Weltkriegs war die Familie dem nach Algerien einberufenen Vater gefolgt). Nachdem er 1960 frei schaffender Maler wurde, begann er abstrakte Seestücke oder winterliche Berglandschaften in Öl zu malen, in einem Stil, der an Nicolas de Staël erinnerte und ihm somit eine Zeit lang die Beachtung Londons bescherte.

Doch schon bald gab Garanjoud die Ölmalerei auf, um sich als einer der ersten der Acrylmalerei zuzuwenden und sich, für immer, auf eine minimale Farbpalette zu beschränken: Schwarz, Weiß und vor allem Bleu in etlichen Abstufungen, selten kombiniert mit einem zarten Rot. Als er zwischen­zeitlich kein Atelier hatte, malte er im Freien auf frei schwebenden, großen  Laken. Flatternd im Wind hingen diese so genannten ”Toiles libres“ (freie Bilder) auf Leinen im Garten ... und wurden von Garanjoud fotografiert. Nach seinem Tode fand seine Witwe die Dias und ließ sie abzie­hen: es sind wunderbare Ansichten von in der Bewegung eingefrorenen, vor dem Himmel der Provence beinah abstrakt wirkenden Tüchern. Aufgrund der (zahlreichen) Notizen von Garanjoud wurde die Fotoserie ”L’Ail du vent“ (Der Flügel des Windes) genannt, nach der gleichnamigen Gedichtzeile von Saint-John Perse, einem von Garanjoud geschätzten Dichter.

Nach dem Vorbild chinesischer und japanischer Malerei, welche die strenge westliche Trennung zwischen den Diszi­plinen Malerei und Dichtung nicht kennt und bei der sich der künstlerische Ausdruck  einer spirituellen Haltung verdankt, hat sich Garanjoud im Laufe seines Lebens einer solch of­fenen, grenzüberschreitenden, vielleicht sogar meditativen Haltung immer weiter genähert. Er liebte die deutschen Dichter und Denker Goethe, Hölderlin und Rilke, die er vermutlich schon als junger Mann in seiner Militärzeit in Deutschland gelesen hatte, und setzte sich mit den Philo­sophen Nietzsche, Heidegger und zuletzt Sloterdijk ausei­nander. Er schuf Künstler-Bücher in Zusammenarbeit mit französischsprachigen Dichtern wie François Cheng und Lorand Gaspard, aber auch mit japanischen Schriftstellern wie Mako Ooka und Shiobuzawa. Besonders seine Tusche­zeichnungen, Collagen und Gravuren zeigen eine völlig eige­ne, kaligraphische Strichführung. Mit René Char und auch mit Saint-John Perse war Garanjoud gut befreundet und setzte sich immer wieder mit ihrem poetischen Werken auseinander.

Wenn sein Stil überhaupt etikettierbar ist, dann würde - so Garanjouds Freund, der Kunstkritiker Alain Boucherlat – der Begriff ’lyrische Malerei’ wohl am ehesten zutreffen; eine malerische Poesie, so könnte man vielleicht formulieren, die einer tief empfundenen, ’wissenden’ Daseinshaltung geschuldet ist.

Maria Maier, Jahrgang 1954, sichtet im Kamera-Sucher und mit oder ohne Zoom Spuren unterschiedlicher Zivilisationen und ergänzt das Gesehene mit Farbe, Kohle- und Bleistift. Die Außenwelt, wie sie sich ihr auf ihren zahlreichen Reisen durch verschiedene Kontinente, Länder und Städte darbietet, fasziniert sie. Sie blickt hoch zu Skyscrapern und Elektro­masten und runter auf Relikte unseres Zivilisationsmülls. Ihre Trouvaillen führen sie seit langen Jahren zu einer inhalt­lichen wie formalen Auseinandersetzung mit dem Thema Zeit, das in etlichen Bild- bzw. Serientiteln wie ”Zeit-Sym­biose” oder ”Zeitraum Kuba” angesprochen wird - beide Serien sind in der Ausstellung mit etlichen Arbeiten reprä­sentiert. Gerade durch Maiers Art der Dokumentation etwa von Zeugnissen aus Mauerwerk oder Beton mit ihrem unaus­gesprochenem Anspruch, für die Ewigkeit zu halten, weist sie auf die Dialektik zwischen Endlichkeit alles menschlichen Tuns und vermeintlicher Zeitlosigkeit des Geschaffenen beziehungsweise auf die zwischen Raum und Zeit hin.

In New York, auf zwei längeren Studienaufenthalten, entsteht die Basis mehrere Serien mit dem Haupttitel ZEITRAUM NY. Eine  der Serien, die um die Architektur der Weltstadt kreist, besteht aus Fotocollagen aus vervielfältigten Elemen­ten des Baudenkmals ”Twin-Towers“, eben vor ’Nine Eleven’ – die Serie ist somit ungewollt exemplarisch für dieses The­ma geworden.  ”Zeit lässt sich nicht auf den Punkt bringen“, erklärte die Künstlerin einmal, ”darum arbeite ich in der Serie.“

Schon allein die in der HLP Galerie ausgestellten Beispiele aus den New Yorker ZEITRAUM-Serien ”4-times“, ”walk and find“ und ”new perspectives“ demonstrieren die bemerkens­werte Bandbreite an Techniken, die sich die gebürtige Ober­pfälzerin über die Jahrzehnte im Umgang mit künstlerischen Medien angeeignet hat. Während es sich bei ”4-times” im Wesentlichen um fotografierte, mit Eitempera übermalte architektonische Strukturen handelt, und bei ”walk and find” um fotografierte, mit  colorierten Papierfetzen, collagierte und mit Kohle ergänzte Fragmente, Relikte oder Ausschnitte von Wohnhäusern oder Kränen, hat sie im Falle der ”new perspectives“ die digitalen Abbildungen von alten Hydranten der Stadt auf runde Leinwände mit einem Durchmesser  von 128 Zentimetern abgezogen, auf schwerem Holz montiert und in Mischtechnik mit leuchtenden Farben übermalt.

Neben zwei Beispielen dieser großformatigen Werke zeigt die HLP Galerie auch etliche kleine Arbeiten derselben Serie,  die auf Karton oder Leinwand mit Pastell, Kohle oder Acryl bemalt sind. Es sind die Übermalungen der Digitalab­drucke, die ’das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzier­barkeit’ eben zum Unikat machen.

Die Künstlerin ist auch nach eigenem Bekenntnis keine Foto­grafin, sondern eine (seit 1992 freischaffende) Malerin und Graphikerin, die mit Formen und Farben operiert. Die Foto­grafie oder die Fotomontage wird als Bildmaterial neben malerischen oder handgezeichneten Elementen eingesetzt oder auch bisweilen als eigentlicher Bildträger, wie eben bei der Serie ”new perspective“. Die Spuren ihres Gestaltungs­willens, ihrer gestischen, emotionalen  Einmischung, die sozusagen wieder neutralisiert wird durch die absolute Per­fektion der Konfektionierung, findet sich fast auf allen Bildern. Selbst bei der Serie ”E-Mission“, von der die Aus­stellung ebenfalls einige Beispiele der montierten Repros von Elektromasten und Röntgenaufnahmen zeigt, wirkt das Ge­flecht aus Elektrodrähten und Röntgenstrukturen wie Maiers gestische Zutat. Der von Hans-Peter Miksch dem katho­lischen Religionsphilosophen Romano Guardini zugeeignete Ausspruch: ”Endloser äußerer Raum und verborgenes Innen – beides kommuniziert miteinander. Beides Gleichnis und Ort für tiefes Geschehen”* lässt sich wunderbar an den Arbeiten dieser Künstlerin verifizieren.


*Hans Peter Miksch, Eins und das andere  – über die fotografischen und nicht-fotografischen Anteilen in den Bildern von Maria Maier, ORTsZEIT, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Städtische Sammlungen Schweinfurt und Kunstmuseum Mühlheim/Ruhr, 2003

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